Für viele Kollegen ist Praxishygiene ist ein leidiges Thema. Dennoch steht sie immer mehr im Fokus der überwachenden Behörden. Die Firma Stericop GmbH & Co. KG mit Sitz in Wölfersheim bietet schon seit vielen Jahren neben Kontrollsystemen für die Reinigung und Sterilisation von Medizinprodukten Fortbildungsseminare und Vor-Ort-Schulungen für die Bereiche Praxishygiene und Qualitätsmanagement an. Im Rahmen der Vor-Ort-Schulungen (z.B. Mitarbeiterunterweisung Hygiene nach BGV A1) baten uns viele Zahnärzte, zusätzlich ihre Praxis einmal aus hygienischer Sicht unter die Lupe zu nehmen. Hierbei sind uns immer wieder Unzulänglichkeiten aufgefallen. Nachfolgend möchte ich einige dieser Mängel aufzeigen, um Ihnen eine Hilfestellung zu geben, diese Mängel in Zukunft zu umgehen.
In einigen Praxen, wenn auch nur in wenigen, fehlte der Hygieneplan komplett. Dies verwundert umso mehr, da die BZÄK gemeinsam mit dem DAHZ schon seit vielen Jahren einen Musterhygieneplan erstellt hat, der kostenfrei von der Homepage der BZÄK unter www.bzaek.de heruntergeladen werden kann. Dieser Musterhygieneplan muss dagegen noch an die konkreten Verhältnisse in der jeweiligen Praxis angepasst werden. In vielen Praxen gab es einen Hygieneplan, der aber nur zum Teil individualisiert worden ist.
Ein Hauptgrund hierfür ist sicherlich, dass in diesen Praxen die Risikoeinstufung der Medizinprodukte in unkritisch, semikritisch und kritisch nach RKI noch nicht vorgenommen wurde. Da aber der Musterhygieneplan eben genau nach diesen Risikogruppen bei der Aufbereitung der Medizinprodukte aufgebaut wurde, ist das Einteilen in die entsprechenden Klassen eine Grundvoraussetzung, um einen Hygieneplan individualisieren zu können. Einige Hygienepläne waren komplett erarbeitet, aber nicht auf dem neuesten Stand, da sich in der Zwischenzeit z.B. die Desinfektionsmittel geändert haben und die aktuellen Produkte noch nicht eingetragen wurden.
Um nicht nur sich selbst, sondern auch seine Patienten vor einer Infektion zu schützen, ist eine Händedesinfektion unabdingbar. Der Hauptfehler bei der Händedesinfektion, der fast in jeder Praxis zu beobachten war, ist die unzureichende Zeiteinwirkung des Desinfektionsmittels nach dem Auftragen und Verreiben. Eine ordentliche Händedesinfektion dauert i.d.R. (je nach Produkt) 30 Sekunden. Erstaunlich ist, dass in einigen Praxen diese 30 Sekunden schon nach der Hälfte vorüber waren. Der negative „Testsieger“ war leider schon nach 9 Sekunden mit der kompletten Händedesinfektion fertig. Argumente, wie: „Wir haben in der Praxis keine Zeit für eine halbe Minute Händedesinfektion“ (und dassvor und nach jedem Patienten) kann man nicht gelten lassen. Sollten Sie oder eine(r) Ihrer Kollegen/-innen sich durch die mangelnde Händedesinfektion infizieren, steht ihre Ausfallzeit in keiner Relation zu den wenigen Minuten am Tag, die es für eine ordentliche Händedesinfektion bedarf. Sie verzichten ja auch nicht auf das Anlegen Ihres Sicherheitsgurtes im Auto, nur weil Sie Ihre Fahrt wenige Sekunden verkürzen würden.
Wie erwähnt, fehlte in einigen Praxen die Risikoeinteilung der Medizinprodukte in die Klassen unkritisch, semikritisch und kritisch. Diese Einteilung ist keine Schikane, sondern dient dazu, die Möglichkeit zu geben, die Aufbereitung zu standardisieren. Durch diese Einteilung in Verbindung mit den Anweisungen im Hygieneplan haben die Mitarbeiter in der Praxis einen klaren Arbeitsablauf bei der Aufbereitung der Instrumente. In vielen Praxen fehlten noch Arbeitsanweisungen zur Aufbereitung, die im Detail die Vorgehensweisen definieren.
Es gibt drei Grundregeln, die bei der Organisation eines Aufbereitungsraums Beachtung finden sollten:
In vielen Praxen wurde zwar ein unreiner und reiner Bereich angezeigt, eine konsequente Trennung aber nicht durchgeführt. So endete in vielen Praxen der unreine Bereich direkt am Sterilisator, ein reiner Bereich um das Sterilgut „freizugeben“ war aber nicht vorhanden. Zur Freigabe wurden die Trays einfach auf den Sterilisator gelegt. Ein Hauptfehler, der fast in jeder Praxis aufgetreten ist und von den wenigsten Mitarbeitern als Fehler angesehen wurde, ist die mangelnde persönliche Schutzausrüstung (PSA) der Mitarbeiter bei der Aufbereitung. So verlangt die TRBA 250 das Tragen von festen flüssigkeitsdichten Handschuhen sowie Augen- bzw. Gesichtsschutz bei der Reinigung kontaminierter Instrumente von Hand oder per Ultraschall (Schutzstufe 2).
Nur in drei Praxen konnten wir das Anlegen der kompletten Schutzausrüstung feststellen. In allen anderen Praxen wurde mit den dünnen Einmalhandschuhen aufbereitet oder es waren keine Schutzbrillen im Aufbereitungsraum vorhanden, und wenn doch, wurden sie nicht getragen. In anderen Praxen wurde zur Aufbereitung die Arbeitskleidung anstatt der Schutzkleidung getragen. Und in fast allen Fällen kam als Argument dafür, dass die Zeit fehlt, um sich jedes Mal komplett zu „verkleiden“. Falls Motorradfahrer/-innen unter Ihnen sind, würden Sie auf das Aufsetzen des Helms und das Anziehen Ihrer Lederkombi und Ihrer Handschuhe verzichten, selbst wenn Sie spät dran sind, weil Sie keine Zeit haben?
In kaum einer Praxis waren die Aufbereitungsprozesse validiert, und zwar weder der Sterilisationsprozess noch der Reinigungs- und Desinfektionsprozess. In zwei Praxen sahen wir sogar normale Spülmaschinen als Ersatz für ein RDG.
Zudem fehlten in einigen Praxen die periodischen Überprüfungen der Sterilisationsprozesse mittels Sporentest. Reinigungsindikatoren zur Überwachung des Reinigungsprozesses bei RDGs ohne Typprüfung fanden in den wenigsten Fällen statt. In einigen Praxen wurden die Sterilisationszyklen überhaupt nicht überwacht. Weder mit einem Indikator der Klasse 5 (ISO 11140-1) noch mit einem PCD (Process Challenge Device) bei Klasse B Sterilisatoren.
Manche Praxen gaben die Sterilisationschargen nicht frei, weder schriftlich in einem Sterilisationstagebuch noch per EDV. Freigabeberechtigungen für die Sterilisationschargen waren nicht schriftlich festgelegt. Oft kam hier als Aussage: „Hierfür sind alle zuständig!“ Leider war dies nirgends dokumentiert.
Manche Praxen lagerten ihre Medizinprodukte nicht staubgeschützt. In wenigen Fällen wurden die Instrumente nicht nach dem Prinzip „first in – first out“ entnommen. In einigen Behandlungsräumen fehlte eine „Greifpinzette“ zur Entnahme der semikritischen Instrumente aus den Schubladen. Teilweise waren Medizinprodukte überlagert. Manche Praxen lagerten einen Teil ihrer Instrumente im Aufbereitungsraum. Bei manchen Verpackungen waren die Kennzeichnungen unzureichend, in einer Praxis überhaupt nicht vorhanden.
Bei der Flächen- und Instrumentendesinfektion waren in einigen Praxen keine Anleitungen zum Ansetzen der Desinfektionsmittellösung vorhanden. Auch fehlte in manch einer Praxis eine Dosierhilfe.
In einzelnen Fällen wurde das Anbruchdatum der Medikamente nicht dokumentiert. In verhältnismäßig vielen Praxen wurden Medikamente, die gekühlt aufbewahrt werden mussten, unzulässiger Weise im Personalkühlschrank aufbewahrt. Eine Temperaturkontrolle und -dokumentation fand in den wenigsten Fällen statt.
Keine Angst, die oben stehenden Mängel sind nur ein Auszug aus der Sammlung der Dinge, die uns bei der Betrachtung von Praxisräumen unter hygienischen Gesichtspunkten aufgefallen sind. Keine Praxis wies dabei alle Mängel auf. Und in einigen Praxen gab es überhaupt nichts zu kritisieren. Hier waren sogar die Herstellerangaben zur Aufbereitung der einzelnen Medizinprodukte nach ISO 17664 vorhanden und wurden beachtet. Was wir weiterhin feststellen konnten, war, je weiter das Praxisteam die Einführung eines praxisinternen Qualitätsmanagements umgesetzt hatte, umso weniger Kritikpunkte gab es.
Dieser Artikel von Stericop-Geschäftsführer Harald Kretschmann ist unter dem Titel „Praxishygiene – der Blick in die Praxis“in der Zeitschrift „Zahnarzt Wirtschaft Praxis“ ZWP spezial 6/2010 erschienen.